Archiv ausgewählter Stücke
Genannt Gospodin
"Den Kapitalismus an den Eiern packen." Keine leichte Aufgabe. Aber
Gospodin hatte einen Weg gefunden. „Mit beiden Händen, und mit einem
Lama. Einem höckerlosen Kamel. Wusstest du das, dass Lamas höckerlose
Kamele sind? Das weiß kaum einer.“
Gospodin war glücklich. Er hatte eine Einnahmequelle gefunden, die ihn
unabhängig, „außerhalb jeder Arbeitsmühle angenehm antikapitalistisch“
überleben ließ.
Jetzt hat ihm Greenpeace das Lama weggenommen, und er weiß nicht weiter.
Seine Freundin Anette will sich dazu nicht äußern. Sie sieht offenbar
noch ganz andere Probleme in der Beziehung. Auch Gospodins übriger
Freundeskreis tut sich schwer damit, seine Antikapitalismustheorie
intellektuell nachzuvollziehen, und beschäftigt sich lieber mit der ganz
praktischen Aufgabe, den Gewinn seiner Besitzverweigerung zu
realisieren. Als eine obskure Tasche voller Geld auftaucht, verschärfen
sich die Fragestellungen allerdings rapide, und nicht nur Gospodin macht
die Erfahrung, dass Ideologien selten sozialverträglich sind.
Ohne Besserwisserei, aber auch ohne Sarkasmus nähert sich der junge
Autor Phillip Löhle dem großen Thema Kapitalismus aus einer sehr
privaten Perspektive. Das macht Spaß und hat dabei einiges politisches
Bewusstsein.
Anette: Alle leben mit Geld. Nur du nicht. Kannst du nicht wenigstens akzeptieren,
dass es Geld gibt, und dann engagierst du dich beim Naturschutzbund oder bei
den Grünen und kannst mit Augenöffnen und Welt verbessern Geld verdienen. Können wir es nicht so machen?
Gospodin: Die Grünen sind Spießer.
Anette: Aber du brauchst Geld. Alle brauchen Geld. Alle spielen Lotto
und gehen ins Fernsehen in Quizshows, und wenn man sie fragt, was sie
mit ihrem Gewinn machen, dann sagen sie: Altersvorsorge. Verstehst du
das?
Text: Bayerisches Staatsschauspiel