Rose Bernd

In dem seltener gespielten, aber mutmaßlich besten und erschütternsten Drama Gerhart Hauptmanns, Rose Bernd, bekleidet Marcus Calvin die Rolle des brutalen Arthur Streckmann. Dem naturalistischen Fünfakter von 1903 liegt eine wahre zeitgenössische Begebenheit in einem schlesischen Dorf zugrunde: Eine junge, attraktive Frau, außerehelich von ihrem Arbeitgeber geschwängert, glaubt sich von Vater, künftigem Ehemann und Dorfbewohner so in die Enge gedrängt, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sieht als ihr Neugeborenes zu töten.

Regisseur Enrico Lübbe hat das Stück, dessen Fassung im Original etwa drei Stunden dauern würde, in seiner Inszenierung im Residenztheater auf 75 Minuten gekürzt. Entsprechend komprimiert und reduziert aufs Wesentliche sind die Figuren. In dem aus einer Schräge bestehenden Bühnenbild treten die stets präsenten Darsteller nur dann aus dem hintergründigen Schatten nach vorne ins Licht, wenn sie was zu sagen haben.

Marcus Calvin weiß die Negativfigur des Maschinisten Streckmann so zu spielen, dass die Kälte und Brutalität des Mannes sehr spürbar und manifest wird. Der Theaterbesucher traut ihm die Vergewaltigung der Titelperson Rose Bernd ohne Weiteres zu. Andererseits gelingt es ihm, die Komponente des eitlen, präpotenten Machos, der bei Frauen nur Furcht und Schrecken nicht aber Zuneigung oder Interesse auszulösen vermag, schon durch wenige körpersprachliche Andeutungen zu vermitteln. Zudem zeigt Calvin, dass ihm Dialekte nicht schwer fallen. Sein Schlesisch hört sich nahezu wie eine zweite Muttersprache an.

Christoph Oellers

Kritik:

Was aus der Entschlackung herauskommt, sind durchaus interessante Typen: [...] Schließlich Streckmann (Marcus Calvin), der wie besessen davon ist, dass es keinen Besseren und Begehrenswerteren als ihn geben kann – auch wenn er dafür Rose Bernd schließlich vergewaltigen muss.

Matthias Weigel, nachtkritik.de

 
     

 

 

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